Noch unformatiert!
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 12. November 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Gestalt der Jungfrau und Gottesmutter Maria ist nicht nur ein ökumenisches Streitobjekt.
Darauf weisen die Schriften der ersten Reformatoren hin. So war Martin Luther von einer tiefen Marienverehrung erfüllt: Er hielt an der besonderen Heiligkeit der Gottesmutter fest, er sprach bisweilen von ihrer unbefleckten Empfängnis und teilte mit anderen Reformatoren den Glauben an die bleibende Jungfräulichkeit Marias.
Was für die Reformatoren gilt, trifft noch mehr für die Kirchen des Ostens zu. Wenn auch manche Unterschiede in den Formulierungen noch nicht ganz behoben sind, so gehört doch die Marienverehrung zu den festen Bindegliedern, auf denen die Gemeinschaft zwischen katholischen und orthodoxen Christen gründet.
Schon der heilige Augustinus hat Maria die “Mutter der Einheit” genannt. Im Abendmahlssaal war sie es, um die sich die Apostel versammelten, um zu beten und die Einheit der Herzen sichtbar zu machen. Heute wenden wir uns an Maria, die “Mutter der Einheit”, um in ihre geistliche Schule zu gehen und ihrer Fürsprache unsere Bitten anzuvertrauen. Sie helfe den Gläubigen und der ganzen Kirche, daß sie in dieser Welt wahre Propheten jener Hoffnung sind, die nicht enttäuscht.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 22. Oktober 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Zweite Vatikanische Konzil sagt über die Verehrung der seligen Jungfrau Maria: “Dieser Kult, wie er immer in der Kirche bestand, ist zwar durchaus einzigartig, unterscheidet sich aber wesentlich vom Kult der Anbetung, der dem menschgewordenen Wort gleich wie dem Vater und dem Heiligen Geist dargebracht wird, und er fördert diesen gar sehr” (LG 66).
Die Verehrung Mariens durch die Gläubigen steht zwar über dem Kult der übrigen Heiligen, aber sie steht unter dem einzig und allein Gott zustehenden Kult der Anbetung. Die Liebe der Gläubigen gegenüber Maria unterscheidet sich von derjenigen, die sie Gott schulden. Denn Gott muß vor allem mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzem Sinn geliebt werden (vgl. Mt 22,37). Die Beziehung der Gläubigen zu Maria drückt jedoch auf spiritueller Ebene die Zuneigung der Kinder gegenüber der Mutter aus.
Dennoch besteht ein Zusammenhang zwischen der Verehrung Mariens und dem Kult, der Gott allein gebührt: Die Verehrung, die Maria zuteil wird, ist darauf ausgerichtet, daß sie letztlich zur Anbetung der Heiligsten Dreifaltigkeit führt.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 15. Oktober 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
“Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau” (Gal 4, 4). Die Verehrung der seligen Jungfrau Maria liegt also in dem göttlichen Ratschluß begründet, die menschliche Identität des Sohnes Gottes an eine Frau zu binden: an Maria aus Nazareth.
Diese Heilswahrheit ist der rote Faden der Marienverehrung bis heute. So hat das Zweite Vatikanische Konzil formuliert: “Maria wird (…), da sie ja die heilige Mutter Gottes ist und in die Mysterien Christi einbezogen war, von der Kirche in einem Kult eigener Art geehrt” (Lumen gentium, 66).
Was Maria im Magnificat von ihrer Erwählung besingt, das durchzieht die Frömmigkeit der Kirche durch alle Jahrhunderte: “Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter” (Lk 1, 48). Nicht nur die Lehre der Kirche, sondern auch ihre Ordnung von Gebet und Liturgie sowie die christliche Ikonographie zeugen davon, wie eng Maria mit dem Heilsmysterium ihres Sohnes Jesus Christus verbunden ist.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Grundlage dafür gelegt, daß sich die Marienverehrung in Verbindung zum Mysterium der Kirche entwickeln kann.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 1. Oktober 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Unter den Titeln, mit denen die Kirche Maria verehrt, zählt das Zweite Vatikanische Konzil auch die “Mittlerin” auf. Obwohl einige Konzilsväter diese Entscheidung nicht voll teilen konnten, wurde die Anrede “Mittlerin” in die dogmatische Konstitution Lumen Gentium aufgenommen. Denn das Wort “Mittlerin” birgt eine tiefe Wahrheit in sich.
Wenn von Maria als Mittlerin die Rede ist, dann müssen wir im gleichen Atemzug von Maria als unserer Mutter sprechen. Maria als Mutter in der Gnadenordnung trägt zusammen mit Christus zur geistlichen Neugeburt der Menschheit bei. So ist Maria insofern Mittlerin, als sie unsere Mutter ist.
Trotzdem bleibt unbestritten, daß Marias mütterlicher Mittlerdienst in keiner Weise die einzige Mittlerschaft schmälert, die Jesus Christus zukommt. Marias Mitarbeit an der Erlösung verringert also nicht im geringsten die unmittelbare Verbindung der Gläubigen mit Christus. Im Gegenteil: Maria erleichtert es uns, eine innige Verbindung zu unserem Mittler und Erlöser aufzubauen, der Jesus Christus heißt. Wir wollen Gott dafür danken, daß er der Kirche in Maria eine Mutter schenkt, die die Gläubigen zu ihrem Sohn führt.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 24. September 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Jungfrau Maria ist auf Grund der empfangenen Gnaden nicht nur Mutter des Erlösers, sondern sie ist auch zur Mutter der Menschheit geworden. Deshalb hat sie auf ihre Weise Anteil an der Erlösung der Menschen durch ihren Sohn Jesus Christus. Das II. Vatikanische Konzil sagt in Lumen Gentium 61: “Die selige Jungfrau … war nach dem Ratschluß der göttlichen Vorsehung hier auf Erden die erhabene Mutter des göttlichen Erlösers, in einzigartiger Weise vor anderen seine großmütige Gefährtin und die demütige Magd des Herrn”.
Während ihres irdischen Daseins hat Maria ihre geistliche Mutterschaft gegenüber der Kirche nur für kurze Zeit ausgeübt. Doch ist diese ihre Berufung gerade nach ihrer Himmelfahrt voll und ganz zur Geltung gekommen, indem sie unaufhörlich fortdauert und sie durch ihre vielfältige Fürbitte fortfährt, uns die Gaben des ewigen Heiles zu erwirken (vgl. LG 62).
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 17. September 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Zweite Vatikanische Konzil nennt Maria “einzigartiges Glied”, “Typus” und “klarstes Urbild” der Kirche und stellt fest: “die katholische Kirche verehrt sie, vom Heiligen Geist belehrt, in kindlicher Liebe als geliebte Mutter” (LG 53).
Gerade in jüngster Zeit wird Maria sowohl vom Lehramt als auch von der Volksfrömmigkeit gern “Mutter der Kirche” genannt. Doch steht hinter dieser Bezeichnung eine alte ehrwürdige Tradition. Die Christen sehen in Maria nicht nur die Mutter Jesu, sondern auch die Mutter aller Gläubigen. Diejenige, die als Mutter des Heils, Mutter des Lebens und der Gnaden, als Mutter der Erlösten und der Lebenden verehrt wird, kann mit gutem Recht “Mutter der Kirche” genannt werden.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 10. September 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
In seinem Apostolischen Schreiben Marialis cultus stellt Papst Paul VI. die Jungfrau Maria als Vorbild der Kirche bei der Feier des Gottesdienstes dar. Diejenige, die bei der Verkündigung durch den Engel sich voll und ganz dem Heilsplan Gottes unterwirft und anvertraut, wird so für alle Gläubigen zum erlesenen Beispiel des Hörens auf das Wort Gottes und der Gefügsamkeit diesem Wort gegenüber.
Mit dieser Haltung, die ihr gesamtes Dasein prägt, zeigt uns die Jungfrau Maria wie wir bei der Feier des Gottesdienstes das Wort Gottes hören und aufnehmen sollen. Ihr Beispiel macht deutlich, daß der Kult der Kirche nicht darin besteht, in erster Linie die Gedanken und Regungen des Menschen zum Ausdruck zu bringen, sondern im Hinhören auf das göttliche Wort, um es zu verstehen, sich zu eigen zu machen und im Alltag umzusetzen.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 3. September 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Zweite Vatikanische Konzil bezieht sich in der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium auf die Worte des Apostels Paulus im Epheserbrief und stellt fest: “Während aber die Kirche in der seligsten Jungfrau schon zur Vollkommenheit gelangt ist, … bemühen sich die Christgläubigen noch, die Sünde zu besiegen und in der Heiligkeit zu wachsen (Nr. 65).
So wird der bestehende Unterschied zwischen den Gläubigen und Maria bekräftigt. Den Gläubigen wird die Heiligkeit durch die Taufe zuteil, Maria aber ist von Anfang an von der Erbsünde bewahrt worden.
In Maria ist der Kirche ein erhabenes Beispiel des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe geschenkt worden.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 20. August 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Kirche ist Mutter und Jungfrau. Mutter, weil sie ihre Kinder zum neuen und unsterblichen Leben gebiert, und Jungfrau, da sie das Treueversprechen, das sie dem Bräutigam gegeben hat, unversehrt und rein bewahrt. Die Kirche ist auch jungfräulich, im geistlichen Sinn der Unversehrtheit des Glaubens, der festen Hoffnung und der aufrichtigen Liebe. So ist Maria das Modell sowohl der Mütterlichkeit als auch der Jungfräulichkeit der Kirche (vgl. LG 64).
Wie Maria körperlich Jungfrau war, so ist sie es auch im Herzen. Sie ermutigt alle Christen, je nach ihrem Lebensstand ihre Reinheit zu bewahren. Dadurch hilft sie uns, unseren Körper als Tempel des Heiligen Geistes zu entdecken.
Das Konzil ermutigt die Gläubigen, zu Maria aufzuschauen, um ihren “jungfräulichen und unversehrten” Glauben, ihre Hoffnung und ihre Liebe nachzuahmen.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 13. August 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Maria und die Kirche – beide sind Mütter. Beide gehören wesentlich zur christlichen Existenz. Dabei kommt der Mutterschaft Mariens eine besondere Bedeutung zu: Bevor sie ihre mütterliche Funktion gegenüber den Menschen ausübt, ist sie die Mutter des eingeborenen Sohnes Gottes, der Mensch geworden ist. Die Kirche hingegen ist insofern Mutter, als sie auf geistliche Weise Christus in den Gläubigen gebiert. Auf diese Weise stellt die Jungfrau Maria ein Modell für die Mutter Kirche dar.
Die Mutter Maria verleiht der Kirche ein mütterliches Antlitz. Die Mütterlichkeit der Kirche soll sich in jedem Glied des mystischen Leibes zeigen. Die Frömmigkeit der Gläubigen weist darauf hin, wie tief die geistlichen Bande sind, die zwischen der Gottesmutter und dem Leben der Kirche bestehen: die zahlreichen Formen der Marienverehrung und die Wallfahrten zu den verschiedenen Marienheiligtümern erinnern an die Großtaten, die Gott, der Vater, durch die Mutter seines Sohnes wirkt.
Mutter Gottes und Mutter Kirche: Beide gehören also untrennbar zusammen. Beide zeugen von derselben göttlichen Liebe, die sich den Menschen mitteilen will.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 6. August 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Wie uns das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, ist Maria “Typus und klarstes Urbild” der Kirche (LG 53). Sie ist Typus, und zwar nicht im Sinne des alttestamentlichen Vorbildes, das “nur ein Schatten von dem ist, was kommen wird” (Kol 2,17), ein “Abbild und Schatten der himmlischen Dinge” (Heb 8,5); vielmehr ist sie ein Typus, der nicht auf die Zukunft hinweist, sondern schon gegenwärtig ist. Denn in ihr erfüllt sich die geistliche Wirklichkeit, die im Alten Testament vorausverkündet und dargestellt wurde.
Allerdings dürfen wir nicht vergessen, daß das erste Urbild der Kirche Christus selbst ist. Aber es gibt eine Art innere Wegweiser, die dem Christen helfen, eine echte Beziehung zu Christus aufzubauen. Indem der Gläubige den Blick auf Maria richtet, lernt er, in tieferer Gemeinschaft mit Christus zu leben, ihm in lebendigem Glauben anzugehören, sein Vertrauen und seine Hoffnung auf ihn zu setzen und ihn mit seinem ganzen Wesen zu lieben.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 30. Juli 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
In Fortsetzung unserer Betrachtungen über Maria möchte ich heute über die Mutter Gottes als Glied der Kirche sprechen. Sie wird zwar von einigen nicht als Glied betrachtet, vielmehr stehe sie außerhalb der Kirche, da ihr viele Privilegien zuteil wurden, so die unbefleckte Empfängnis, die göttliche Mutterschaft und die einzigartige Mitwirkung am Heilswerk. Dadurch sei sie der Gemeinschaft der Gläubigen überlegen.
Nach dem II. Vatikanischen Konzil jedoch ist Maria ein Glied der Gemeinschaft der Gläubigen, und zwar “als überragendes und völlig einzigartiges Glied der Kirche” (LG 53): sie ist das Modell und die Mutter der Kirche. Sie ist – wegen der außerordentlichen Gaben des Herrn – von allen anderen Gläubigen verschieden, aber dennoch gehört sie zur Kirche und ist deren Glied im wahrsten Sinne des Wortes.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 9. Juli 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Die kirchliche Tradition hat die Aufnahme Mariens in den Himmel von Anfang an mit der Überzeugung verbunden, daß die Gottesmutter in besonderer Weise an der Sendung ihres göttlichen Sohnes teilhat.
In einem Text, der reich an Poesie ist, beschreibt der heilige Germanus von Konstantinopel, wie Jesus seine Mutter zu sich in seine Herrlichkeit holt. Dabei legt der Theologe Jesus folgende Worte in den Mund: “Wo ich bin, dort sollst auch du sein, Mutter! Du bist untrennbar mit deinem Sohn verbunden.”
Maria ist das erste menschliche Geschöpf, an dem die Auferstehung der Toten Wirklichkeit wird. Daß Jesus diese endzeitliche Verheißung zuerst an einer Frau einlöst, deutet darauf hin, daß sich dahinter der göttliche Wille verbirgt, das weibliche Geschlecht aufzuwerten. In der himmlischen Herrlichkeit steht neben dem auferstandenen Christus die mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommene Maria. An der Seite des neuen Adam steht die neue Eva.
In einer Zeit, in der die Frau und besonders der weibliche Körper oft entwürdigt werden, kündet die Aufnahme Mariens in den Himmel davon, daß die Bestimmung eines jeden Menschen darin liegt, mit Leib und Seele in der Gemeinschaft mit Gott leben zu dürfen.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 2. Juli 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Indem sich das Zweite Vatikanische Konzil auf die Bulle meines Vorgängers Pius des XII. Munificentissimus Deus bezieht, bekräftigt es, daß die unbefleckte Jungfrau Maria “nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen” wurde (LG 59).
Das Dogma der Aufnahme Mariens in den Himmel will bedeuten, daß die Gottesmutter nach ihrem Tod verherrlicht worden ist. Tatsächlich ist es so, daß für die übrigen Menschen die Auferstehung erst am Jüngsten Tag stattfinden wird. Maria aber ist ihre Verherrlichung durch ein einzigartiges Privileg zuteil geworden. Denn als Mutter ist sie vollkommen vereint mit dem Leben und dem Werk ihres Sohnes Jesus Christus. Deshalb teilt sie mit ihm auch die Bestimmung von Leib und Seele nach dem Tod. Das ist übrigens eine tausendjährige Glaubensüberzeugung, die auch in der Kunst ihren Ausdruck gefunden hat.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 25. Juni 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Heute richten wir unsere Gedanken auf das Ende des irdischen Lebens der Gottesmutter. Das Zweite Vatikanische Konzil knüpft an die Worte der Dogmatischen Definition meines Vorgängers Pius XII. an und stellt fest: “Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen” (Lumen Gentium, 59).
Diese Glaubenswahrheit hat eine lange Tradition. Obwohl es Theologen gab, die behaupteten, die Jungfrau sei vom Tod ausgenommen worden, entspricht es der allgemeinen Überlieferung der Kirchenväter, daß Maria gerade mit ihrem Tod in die himmlische Herrlichkeit eingegangen ist. Denn die Mutter steht nicht über dem Sohn, der den Tod auf sich nahm und ihm dadurch eine neue Bedeutung gab. Wie Jesu Tod zu einem Mittel der Erlösung wurde, so hat auch Maria – in analoger Weise – im Hinblick auf die Erlösung der Menschheit den Tod geteilt, der zum Tor des ewigen Lebens wurde.
Marias Tod hat nichts Schmerzliches mehr an sich. Für Franz von Sales kommt darin die Liebesbeziehung zwischen ihr und ihrem göttlichen Sohn zum Ausdruck. Maria starb “in Liebe, aus Liebe und um der Liebe willen”. Ihr Hinscheiden aus dieser Welt war eine “dormitio”, ein Entschlafen, um das ewige Leben mit ihrem Sohn in der anderen Welt zu teilen. So ist sie besonders denen eine geistliche Mutter, die sich auf die “Stunde des Todes” vorbereiten.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 28. Mai 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Das II. Vatikanische Konzil zeichnet den Lebensweg der Jungfrau Maria nach und erinnert daran, daß sie zu der Gemeinschaft gehörte, die das Pfingstfest erwartete. In dieser ersten Gemeinschaft wird die Kirche gleichsam vorgebildet.
Das Konzil unterstreicht ausdrücklich, daß Maria in der betenden Versammlung anwesend war: Sie erflehte “mit ihren Gebeten die Gabe des Geistes” (LG, 59). Dabei setzte sie ihre geistliche Erfahrung ein, um Herz und Geist derer zu bereiten, die mit ihr versammelt waren.
Es war billig und recht, daß die Ausgießung des Geistes, die der Jungfrau zum erstenmal im Hinblick auf die göttliche Mutterschaft zuteil wurde, erneuert und bestärkt würde. Eingedenk der Verheißung Jesu erwartete sie in der Kirche und für die Kirche das Pfingstfest und erflehte für alle eine Vielfalt der Gaben. Der Heilige Geist antwortete auf das Bittgebet der Jungfrau und erfüllte die im Abendmahlssaal versammelte Gemeinschaft mit seinen Gaben. Dadurch wurde ihr Inneres umgewandelt, damit sie der Ausbreitung des Evangeliums dienen konnten.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 21. Mai 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Nach der Grablegung ihres Sohnes war Maria die einzige, die am Glauben festgehalten hat. Am Karsamstag, über dem das Dunkel des Todes liegt, an das Osterlicht zu glauben und auf die Auferstehung des Sohnes zu hoffen, gehört zu den höchsten Momenten ihres Gottvertrauens. Maria hat sich darauf verlassen, daß Gott erfüllen würde, was er versprochen hatte.
Die Heilige Schrift verrät nichts über eine österliche Begegnung Marias mit ihrem auferstandenen Sohn. Trotzdem besteht Grund zur Annahme, daß Jesus seiner Mutter zuerst erschienen ist, ehe er sich den Frauen, den Aposteln und “mehr als fünfhundert Brüdern zugleich” (1 Kor 15, 6) zeigte. Wie der Gottesmutter am Anfang der Erlösung eine entscheidende Rolle zukam, wie sie am Karfreitag bei ihrem Sohn unter dem Kreuz stand und vor Pfingsten im Abendmahlssaal die Jünger im Gebet vereinte, so war sie wahrscheinlich auch eine bevorzugte Zeugin der Auferstehung, ohne daß die Heilige Schrift etwas darüber erzählt.
Wenn wir in der Osterzeit das “Regina Caeli” beten, dann denken wir daran, daß in diesem Jubel sowohl die Freude der Gottesmutter als auch die Freude der ganzen Kirche erklingt, die beide auf die vollkommene Verwirklichung des Ostergeheimnisses bei der Auferstehung der Toten hoffen.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 7. Mai 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus Christus hat vom Kreuz herab seiner Mutter Johannes, den Jünger, den er liebte, anvertraut, danach überläßt er seine Mutter dem Lieblingsjünger mit den Worten: “Siehe, deine Mutter!” Damit hat Jesus Christus die Reichweite der Mutterschaft Mariens offenbart: Als Mutter des Erlösers ist sie auch Mutter der Erlösten, Mutter aller Glieder des mystischen Leibes Christi.
Im Lichte dieser Worte kann der authentische Sinn der Marienverehrung der Kirche erfaßt werden. Denn durch diese Verehrung werden die Christen in die Sohn-Beziehung Jesu zu seiner Mutter gestellt und es wird ihnen möglich gemacht, in eine innige Vertrautheit mit beiden hineinzuwachsen.
Maria ist der Weg zu Christus; dies lehrt uns die christliche Frömmigkeit im Laufe der Jahrhunderte. Ihre Verehrung verhindert mitnichten die innige Beziehung des einzelnen zu Jesus Christus, im Gegenteil, sie wird erst durch sie umso mehr wachsen und zur höchsten Vollkommenheit geführt.
Möge ein jeder Christ nach dem Beispiel des Lieblingsjüngers “Maria in sein Haus aufnehmen”, das heißt, ihr Raum geben im eigenen persönlichen Dasein und sie als Mutter annehmen, indem sie als wahre Kinder ihrer mütterlichen Liebe entsprechen.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 23. April 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Den eigenen Sohn leiden und sterben sehen ist für jede Mutter schwer. Deshalb spricht die Begegnung des gekreuzigten Jesus mit seiner Mutter Maria und dem Jünger, den Jesus liebte, besonders an: “Frau, siehe dein Sohn” (Joh 19, 26). Wenn Jesus am Kreuz seine Mutter und den Lieblingsjünger einander anvertraut, dann möchte er damit nicht in erster Linie ein familiäres Loch schließen, das sich mit seinem Tod öffnet. Denn Maria war spätestens seit dem öffentlichen Auftreten ihres Sohnes daran gewöhnt, allein zu leben und gleichzeitig in die Gemeinschaft ihrer Verwandten eingebunden zu sein. Deshalb gehen die Worte Jesu nicht nur Maria und den Lieblingsjünger an. Sie sind an diejenigen gerichtet, die das Geschenk der Gnade Gottes empfangen sollen. Johannes steht für alle, die der “neuen Generation” angehören, die aus dem Opfer am Kreuz hervorgegangen ist. Dazu gehören auch wir. Maria ist unser aller Mutter. Deshalb darf jeder von uns sich ihrer mütterlichen Liebe anvertrauen.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 9. April 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Kirche hat im Lauf der Jahrhunderte immer wieder über die Mitwirkung der Muttergottes am Erlösungswerk ihres Sohnes nachgedacht. Die Verwendung des Begriffes “Mitarbeiterin” für Maria beinhaltet eine besondere Bedeutung, denn ein jeder Christ ist “Mitarbeiter” Gottes insofern er das Evangelium verkündet und lebt. Doch geschieht diese Mitarbeit nach dem Kreuzestod Jesu, während die Mitwirkung der Jungfrau Maria sich auf die gesamte Dauer des Erlösungswerkes ihres Sohnes erstreckt. Diese außergewöhnliche Rolle kommt ihr zu auf Grund ihrer Mutterschaft: “Indem sie Christus empfing, gebar und nährte, im Tempel dem Vater darstellte und mit ihrem am Kreuz sterbenden Sohn litt, hat sie beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise … mitgewirkt” (LG 61).
Gottes Wille ist es, daß Maria sich als Frau am Erlösungswerk des Sohnes beteiligt. Da das Stammelternpaar, Adam und Eva, den Weg der Sünde gegangen ist, soll dem neuen Adam zur Wiederherstellung der ursprünglichen menschlichen Würde die neue Eva zugesellt werden. Maria, die neue Eva, wird zum vollkommenen Abbild der Kirche, indem sie unter dem Kreuz die erlöste Menschheit darstellt.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 2. April 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Jungfrau Maria, die nach dem Wort des Engels Gabriel zur Mutter des Messias geworden ist, nimmt von Anfang an am Erlösungswerk ihres Sohnes teil. Sie ist während der gesamten Zeit des öffentlichen Lebens Jesu an dessen Aufopferung beteiligt. Der Höhepunkt dieser Anteilnahme wird aber im Moment des Leidens und des Todes Jesu erreicht, indem sie am Kreuz die Schmerzen ihres Sohnes aufnimmt und mit ihm teilt. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert uns daran, daß Maria “heftig mit ihrem Eingeborenen litt und sich mit seinem Opfer in mütterlichem Geist verband, indem sie der Darbringung des Schlachtopfers, das sie geboren hatte, liebevoll zustimmte” (LG 58).
Die Hoffnung der Muttergottes am Stamm des Kreuzes birgt in sich ein stärkeres Licht als die Dunkelheit, die in vielen Herzen herrscht: Angesichts des erlösenden Opfers erwächst in Maria die Hoffnung der Kirche und der Menschheit.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 12. März 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
”Im Verlauf der Verkündigung Jesu nahm Maria die Worte auf, in denen der Sohn das die Ansprüche und Bande von Fleisch und Blut übersteigende Reich predigte und die seligpries, die das Wort Gottes hören und bewahren, wie sie selbst es getreulich tat” – heißt es in der Konstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils (Nr. 58).
Maria konnte ihrem Sohn an verschiedenen Orten zuhören, so auch in Kafarnaum, wo Jesus offenbar hart reagiert, indem er fragt: ”Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? … Dies hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter (Mk 3, 33-35).”
Mit diesen Worten hat Jesus aber seiner Mutter nicht weh tun, sondern seine Beziehung zu ihr auf eine höhere Ebene setzen wollen. Maria als Hörerin seines Wortes wurde dadurch in einem übertragenen Sinn zu Mutter und Schwester erhoben.
Die Jungfrau wird auf diese Art und Weise zum Beispiel für alle, die die Verkündigung Jesu annehmen. Ihr Vorbild ermuntert uns, auch die Leiden anzunehmen, die auf diejenigen warten, die die Treue zu Jesus bewahren.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 5. März 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Zur Darstellung der Anwesenheit Mariens im öffentlichen Leben Jesu erinnert das II. Vatikanische Konzil an die Teilnahme anläßlich des ersten Wunders in Kana: “Bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa [hat sie] durch ihr Mitgefühl den Anfang der Zeichen Jesu als des Messias durch ihre Fürbitte veranlaßt (vgl. Joh 2,1-11)” (LG 58). Das Konzil weist auf die verschwiegene und zugleich wirksame Rolle der Mutter hin, die mit ihrem Wort den Sohn zum “ersten Zeichen” bewegt. Die Initiative der Jungfrau erscheint noch überraschender, wenn man die untergeordnete Stellung der Frau in der damaligen Gesellschaft bedenkt. In Kana erkennt Jesus nicht nur die Würde der Frau an, sondern bietet ihr durch das Eingehen auf den Wunsch seiner Mutter die Möglichkeit, an der messianischen Tätigkeit teilzuhaben.
In Kana beginnt Maria den Glaubensweg der Kirche; sie geht den Jüngern voraus und lenkt die Aufmerksamkeit der Diener auf Christus. Ihre standhafte Vermittlung verleiht auch jenen Mut, die bisweilen die Erfahrung vom “Schweigen Gottes” durchmachen müssen. Sie sind eingeladen, gegen alle Hoffnung zu hoffen und immer auf die Güte des Herrn zu vertrauen.
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 26. Februar 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
In der Szene der Hochzeit zu Kana beschreibt Johannes das erste Eintreten Mariens bei Jesus und hebt ihre Mitwirkung an der Sendung ihres Sohnes hervor.
Maria, die den Ernst der Lage wahrnimmt, ergreift die Initiative und wendet sich an Jesus: “Sie haben keinen Wein mehr” (Joh 2,3). Jesu Antwort darauf: “Was willst du von mir, Frau?” (Joh 2,4) wirkt befremdend und kühl.
Maria aber, in der Überzeugung, daß Jesus doch ihren Wunsch erfüllen wird, befiehlt den Dienern: “Was er euch sagt, das tut!” (Joh 2,5). Ihr Vertrauen wird belohnt: Jesus, dem die Initiative überlassen wird, wirkt das Wunder, und erkennt dadurch den Glauben seiner Mutter an.
Mariens Aufforderung: “Was er euch sagt, das tut!” bleibt auch für uns gültig. Wir sind eingeladen, selbst dann zu vertrauen, wenn wir den Sinn der Worte Jesu nicht verstehen. Die Darstellung der Hochzeit zu Kana lädt uns ein, mutig im Glauben zu sein und die Wahrheit der Worte des Evangeliums in unserem Leben zu erfahren: “Betet und es wird euch gegeben” (Mt 7,7; Lk 11,9).
JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 29. Januar 1997
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Evangelien berichten sehr wenig über das Jugendalter Jesu. Dreißig Jahre lang lebt er zusammen mit seinen Eltern in Nazaret in Zurückgezogenheit, ohne seine übernatürlichen Qualitäten zu offenbaren oder gar wunderbare Taten zu vollbringen. In einer würdigen und arbeitsamen Umgebung versucht Maria die Wege der Vorsehung tiefer zu ergründen sowie die Sendung ihres Sohnes zu erkennen.
Die Lebensgemeinschaft Mariens mit Jesus in Nazaret hat sie nicht nur im Glauben, sondern auch in der Hoffnung weitergeführt. Diese Tugend, die durch die Erinnerung an die Verkündigung des Engels Gabriel und an die Worte des Greisen Simeon bestärkt und getragen wird, umspannt zwar ihre gesamte irdische Existenz, doch trifft sie in besonderer Weise auf die dreißig Jahre der Stille und des Verborgenseins in Nazaret zu.
Wenn wir auf Nazaret schauen und das Geheimnis des verborgenen Lebens von Jesus und Maria betrachten, müssen wir an das Geheimnis unseres eigenen Lebens denken, das “mit Christus in Gott verborgen” ist (Kol 3,3).